Der Ethikrat der Stadt Paderborn stellt sich vor
Jede technische Innovation bringt Gestaltungskonflikte mit sich - zum Beispiel die Frage, ob zu Gunsten der digitalen Funktionalität die Privatheit der Daten in den Hintergrund rücken darf.
Jede technische Innovation bringt Gestaltungskonflikte mit sich - zum Beispiel die Frage, ob zu Gunsten der digitalen Funktionalität die Privatheit der Daten in den Hintergrund rücken darf. Technikimmanente Gestaltungskonflikte sowie gesellschaftliche, politische oder ökonomische Zielkonflikte, ebenso wie die Frage der Rückbezüglichkeit bei der Modellierung sozialen Verhaltens, stellen ein kaum entwirrbares Geflecht von Wechselwirkungskonflikten und Interessensgegensätzen dar. Im Zuge der Digitalisierung geht es nicht nur darum, mögliche Potenziale und Gefährdungen zu identifizieren, sondern auch um die Bewertung der jeweiligen Kosten und Nutzen des Digitalisierungsprozesses für die Betroffenen und die Gesellschaft insgesamt. Hier setzt die Arbeit des Ethikrates der Stadt Paderborn ein, welcher bereits seit fast eineinhalb Jahren besteht.
Die Aufgabe des Ethikrates ist es, die Stadt Paderborn auf dem Weg in die Digitalisierung zu beraten. Das Gremium ist politisch unabhängig und möchte auf mögliche Konflikte im Umgang mit der Digitalisierung aufmerksam machen und sie diskutieren, damit sie sowohl den gemeinsam geteilten Wertvorstellungen aller Bürger*innen, als auch den ethischen Anforderungen entsprechen können. Da es hierfür keinen allgemein gültigen Lösungsansatz gibt, sollen die Herausforderungen in einem organisierten Prozess bewusst gemacht, die Bürger*innen beteiligt und letztlich für eine nachhaltige Entwicklung Sorge getragen werden. Der Ethikrat begreift sich dementsprechend nicht als Aufsichts- oder Entscheidungsinstanz, sondern als Moderator und Katalysator einer Entwicklung, die das Zusammenspiel neuer technischer Entwicklungen mit dem gesellschaftlichen und sozialen Wandel in Einklang bringen soll.
Vor diesem Hintergrund beschäftigte sich der Ethikrat zunächst mit den Projekten der Digitalen Heimat PB, um mögliche Potenziale, Konflikte, aber auch alternative Möglichkeiten aufzuspüren. So wurden beispielsweise die Projektanträge analysiert und Gespräche mit den jeweiligen Projektverantwortlichen geführt. Mit den Verantwortlichen des Digitalen Serviceportals „Mein DigiPort“wurde besprochen, ob auch in der Zukunft weiterhin alle Serviceleistungen der Verwaltung in gleicher Qualität erhalten bleiben, inwiefern die Digitalisierung Chancen zur Inklusion bietet und wie sich die Arbeitsprozesse der Mitarbeitenden verändern werden. Auch die Digitale Gesundheitsplattform wird zukünftig durch den Ethikrat begleitet. In dem Projekt wird der Austausch von Gesundheitsinformationen standardisiert und automatisch über die Digitale Gesundheitsplattform erfolgen. Alle Krankenhäuser werden mit den niedergelassenen Ärzten der Region digital vernetzt, sodass ein zentraler Zugriff auf die professionell erhobenen Gesundheitsinformationen möglich ist. Dem Ethikrat ist hierbei wichtig, dass Patient*innen für den Austausch von digitalen Gesundheitsdaten auch die Verantwortung übernehmen können. Dementsprechend muss eine werteorientierte Digitalkompetenz gefördert werden und bezogen auf soziale Ungerechtigkeiten, sollte auf Endgeräten mit einfacher Handhabung geachtet werden. Auch der Datenschutz wird regelmäßig an den Fortschritt der Informationstechnik angepasst werden müssen.
Um die Bürger*innen Paderborns noch besser in die Diskussion zur Ethik der Digitalisierung einzubeziehen wird ein Bürger*innen-DigiLog, der sich mit den Themen Digitalisierung und Demokratie sowie offenen Daten beschäftigt, für Herbst 2021 geplant.
Prof. Dr. Kirsten Thommes ist seit April 2018 Professorin für Organizational Behavior an der Universität Paderborn. In ihrer Forschung beschäftigt sie sich mit den Themen Teamarbeit und Teamwork, besonders in der digitalen Arbeitswelt, Organizational Behavior und Organisationale Identität sowie der Mensch-Maschine Interaktion. Prof. Dr. Kirsten Thommes studierte BWL an der Phillips-Universität Marburg, promovierte an der Friedrich-Schiller-Universität Jena und war als Postdoc an der Radboud Universität Nijmegen und der RWTH Aachen tätig.
Prof. Dr. Günter Wilhelms seit 2004 Inhaber des Lehrstuhls für Christliche Gesellschaftslehre an der Theologischen Fakultät Paderborn und bemüht sich in dieser Funktion auch besonders um die Kooperation mit der Universität Paderborn. Der Sozialethiker, zu dessen Schwerpunkten die Technikethik und Wirtschaftsethik gehören, studierte Theologie, Psychologie und Soziologie in Paderborn, Würzburg und Eichstätt. Er promovierte in Pastoraltheologie und habilitierte in Christlicher Soziallehre. Prof. Wilhelms ist schon viele Jahre im diözesanen Ethikrat der Caritas aktiv.
Weitere Mitglieder des Ethikrates sind: Prof. Elisabeth Jünemann, Katholische Hochschule NRW, Prof. Reinhard Keil, Universität Paderborn a.D., Prof. Martin Hörning, Katholische Hochschule NRW, Petra Krause, Leitung Gesundheitsschulen Evangelisches Klinikum Bethel, Detlef Schubert, Bezirksregierung Detmold a.D. , Prof. Andreas Fisahn, Universität Bielefeld.