Laschet trifft… Bürgermeister Michael Dreier
Michael Dreier ist 57 Jahre alt und Bürgermeister seiner Geburtsstadt Paderborn. Sein beruflicher Werdegang führte ihn von der Ausbildung zum Elektroinstallateur über die Fachhochschulreife, ein Studium der Elektrotechnik und die Arbeit als Diplomingenieur schließlich in das höchste Amt seines Wohnorts Salzkotten, wo er 2004 Bürgermeister wurde. 2014 wurde er dann im ersten Wahlgang zum Bürgermeister von Paderborn gewählt.
Die digitale Zukunft seiner Stadt ist für den erfahrenen Verwaltungschef eine Herzensangelegenheit. Nicht umsonst erreichte Paderborn 2017 beim deutschlandweiten Wettbewerb „Digitale Stadt“ den zweiten Platz. In Nordrhein-Westfalen lag man ganz vorne. Noch im Herbst wurde Paderborn von der Landesregierung zur digitalen Leitkommune der Modellregion Ostwestfalen-Lippe erklärt. Landesweit hat die Stadt damit eine Vorbildfunktion übernommen.
Lieber Herr Dreier, mit Ihnen als Bürgermeister hat sich Paderborn zu einer „Digitalen Stadt“ entwickelt. Wie kam es zu der vergleichsweise frühen Schwerpunktsetzung beim Thema Digitalisierung?
Paderborn hat als Wirkungsstätte des Computerpioniers Heinz Nixdorf schon seit Jahrzehnten eine besondere Verbindung zur Digitalisierung. Aus der Nixdorf Computer AG wurde ein Weltunternehmen. Dadurch sind in unserer Stadt weitere Unternehmen in der Branche entstanden. Hinzu kommt die Unterstützung der Universität und des Fraunhofer-Instituts, mit denen wir in Paderborn eng zusammenarbeiten. Nicht zuletzt habe ich als gelernter Elektriker eine besondere Verbindung zu der Branche. Die Digitalisierung hat mich immer fasziniert.
Wodurch hat es Paderborn geschafft, den zweiten Platz bei einem bundesweiten Wettbewerb und damit gleichzeitig auch den ersten Platz innerhalb Nordrhein-Westfalens zu erreichen? Was ist das besondere an Paderborn als digitaler Stadt?
Für unseren Erfolg sind zwei verschiedene Bereiche besonders wichtig, die wir mit unseren ungefähr 2.400 Beschäftigten mit ungeheurem Engagement voranbringen. Auf der einen Seite steht das Thema „Digitale Verwaltung“, auch „E-Government“ genannt. Das bedeutet, dass Verwaltungsabläufe und Verwaltungsservices, wie beispielsweise Ummeldungen oder ähnliche Behördengänge digital ablaufen – alles ohne Wartezeiten und so einfach und so bürgerfreundlich wie nur möglich. Auf der anderen Seite steht die Digitalisierung der verschiedenen Lebensbereiche, beispielsweise bei Energie und Umwelt, Mobilität, Sicherheit, Handel oder Gesundheit. Ziel ist immer die Steigerung der Lebensqualität der Bürgerinnen und Bürger. Jeder Mensch jeden Alters soll einen Nutzen von der Digitalisierung haben.
Wie sehen konkrete Ergebnisse dieser Entwicklung aus?
Beispielsweise beim Thema Mobilität geht es nicht nur um das derzeit vieldiskutierte Thema der Elektromobilität, sondern um elektronische Bezahlmethoden im ÖPNV, eine verkehrsflussfördernde Ampelschaltung und ein intelligentes Parkleitsystem – der größte Teil des Stadtverkehrs ist schließlich Parksuchverkehr. Beim Thema Handel geht es darum, den städtischen Einzelhandel in der Konkurrenz zum Onlinehandel zu unterstützen. Bei der Gesundheit ist beispielsweise die Nutzung einer digitalen Gesundheitsakte ein wichtiges Vorhaben. Überall ein wichtiges Thema ist sicherlich eine angemessene technische Ausstattung der Schulen, um digitales Lernen bei den Jüngsten, als Keimzelle sozusagen, zu ermöglichen. Hierfür haben wir bereits rund 10 Millionen Euro investiert. Es gibt viele ganz konkrete Projekte, die wir gemeinsam mit den Gewerbetreibenden und den vielen Partnern in und um Paderborn voranbringen.
Wie wichtig ist in der digitalen Verwaltung der Zukunft noch der direkte Kontakt zum Bürger?
Dieser Kontakt wird eindeutig immer erhalten bleiben – allerdings unterstützt durch die digitalen Medien. Ende April haben wir der Öffentlichkeit das Konzept für ein digitalisiertes Bürgerzentrum im Herzen der Stadt vorgestellt, bei dem Bürgernähe und Transparenz im Mittelpunkt stehen. Die Paderborner werden dort alle möglichen Verwaltungsangelegenheiten erledigen und Informationen erhalten können. Mein Traum ist zudem, dass dort eine Anlaufstelle für die Universität und Sozialverbände integriert wird, dass man dort Bibliothek und Kinderbibliothek besuchen kann, sich trifft und einen Kaffee trinken geht. Das stelle ich mir unter einer modernen Verwaltung der Zukunft vor.
Ist die Bevölkerung bei Ihrem Projekt mit an Bord?
Die Bürgernähe suchen wir ganz gezielt. Wir gehen in die Unternehmen, Kitas und Schulen und fragen alle nach ihren jeweiligen Wünschen. Da es um den Nutzen für die Bürgerinnen und Bürger geht, muss man sie unbedingt direkt beteiligen.
Gibt es eine Zusammenarbeit bei der Digitalisierung mit den anderen Kommunen unseres Landes?
Neben unseren Projektpartnern in Ostwestfalen-Lippe und den anderen Modellregionen stehen wir in einem ganz engen Austausch mit den anderen Städten und Gemeinden, um unsere und andere Projekte vorzustellen und zu diskutieren. Der Städte- und Gemeindebund hat es sich dabei beispielsweise zum erklärten Ziel gesetzt, gerade die zahlreichen kleinen Kommunen auf dem Weg in die digitale Zukunft mitzunehmen und zu begleiten.
Wie steht Nordrhein-Westfalen bei dem Thema im Vergleich zu anderen Ländern da?
Inzwischen sind wir als Bundesland auf einem guten Weg, aber noch immer nicht ganz vorne mit dabei. Wir müssen mit der Digitalisierung in Nordrhein-Westfalen in der ersten Liga spielen. Dafür setze ich mich ein. Im internationalen Vergleich bewegen wir uns bisher nur im Mittelfeld. Das hat uns zuletzt ein Besuch bei den Kollegen in Estland gezeigt, das da eine Vorbildrolle einnimmt.
Was sind die Erwartungen an die Landesregierung, um den in den vergangenen Jahren aufgestauten Rückstand aufzuholen?
Zunächst einmal sind wir sehr dankbar für die insgesamt 91 Millionen Euro, die bereits als Unterstützung von Landesseite zugesagt sind. Darüber hinaus sind meines Erachtens kurze Entscheidungswege wichtig, um Maßnahmen und Projekte effektiv und zielgenau durchführen zu können. Grundsätzlich müssen wir weiterhin gemeinsam auf das Ziel hinarbeiten, die Digitalisierung als Werkzeug zu nutzen. Es ist ganz wichtig, dass wir unsere Projekte für die kommende Generation, für unsere Kinder, auf den Weg bringen. Deshalb müssen wir den Menschen mögliche Ängste nehmen und uns um soziale und ethische Fragestellungen kümmern, wie das auch im Leitantrag der CDU zum Landesparteitag formuliert wird. Ich bin mir sicher, dass durch die Digitalisierung kein Arbeitsplatz verloren geht, sondern wir stattdessen die Lebensqualität der Menschen enorm steigern werden. Wir haben in NRW das gesamte Potenzial für eine digitale Zukunft. Das sollten wir auch nutzen.
Ich freue mich, dass wir uns in Nordrhein-Westfalen gemeinsam auf den Weg in eine digitale Zukunft machen und uns Paderborn dabei als Vorreiter zur Seite steht. Vielen Dank für das interessante Gespräch!