Lebensräume und Arten
Aufgrund der unterschiedlichen naturräumlichen Ausstattung sind auch die historisch gewachsenen Nutzungsformen in Paderborn ganz verschieden ausgeprägt. Intensivierung der Landwirtschaft und Bebauung bewirken heute leider eine Nivellierung und Verarmung.
So vielfältig die Landschaften Paderborns sind, so unterschiedlich sind auch die Lebensräume und Biotope im Stadtgebiet. Wiesen und Weiden - trocken oder feucht, Wälder - licht oder beschattet, Gewässer - stehend oder fließend, Äcker - stark gedüngt oder nährstoffarm...
An diese unterschiedlichen Standorte haben sich verschiedenste Arten angepasst. Exemplarisch für ihre Lebensräume werden hier einige dieser charakteristischen Arten vorgestellt:
Arten und Lebensräume in der heutigen Landschaft - im Schnelldurchlauf durch das Paderborner Stadtgebiet.
trockene, magere und halboffene Standorte
Trockene und nährstoffarme Lebensräume in einer halboffenen Landschaft sind heute rar. Mit Einführung des Mineraldüngers Ende des 19. - Anfang des 20. Jahrhunderts wurde es immer einfacher, den Pflanzen auf den Feldern und Wiesen Nährstoffe zur Verfügung zu stellen.
Besonders an den schwer zu bewirtschaftenden Hängen sowie nutzungsbedingt auch auf den Truppenübungsplätzen konnten diese mageren Strukturen erhalten werden. Sie bieten Lebensraum für hoch spezialiserte Arten. Lückige, kurzrasige und teilweise mit Offenboden-Arealen durchsetzte Landschaften bieten damit hervorragende Lebensräume für Insekten wie dem Braunen Grashüpfer.
Auch der Sandlaufkäfer, dessen Larven sich im Boden vergraben und auf Beute lauern, nutzen trockene, locker gelagerte Böden. Zu dicht darf die Vegetation dann nicht sein.
Wer im Sommer durch die Wiesen und Felder streift, kann an solchen nährstoffarmen Standorten auch herrliche Blühaspekte bewundern. Der duftende Thymian, die von Weidetieren verschmähte Dornige Hauhechel oder mit ihren weißen Blütenköpfen auffallende Margerite, die auch an vielen Wegesäumen zu finden ist, bieten nicht nur optische Reize, sondern sind auch für Insekten notwendige Nahrungsquellen. Nur dort wo es blüht liegt meist auch das Summen der Insekten in der Luft.
Doch diese mageren Lebensräume und Trockenstandorte verbuschen sehr schnell. Durch aufkommende Gehölze entstehen zwar wiederum neue Landschaften, doch für Arten der offenen Trockenstandorte, die teilweise auf Rohbodenbereiche angewiesen sind, verschwindet ihr Lebensraum zunehmend.
Um diese Habitate zu erhalten ist vielfach eine regelmäßige Pflegemaßnahme notwendig. Auf dem Standort des Truppenübungsplatzes passiert das nutzungsbedingt ganz automatisch. Das regelmäßige Befahren legt den Oberboden frei. Durch Beweidungsmaßnahmen, meist mit Schafen, werden Gehölze zurückgedrängt.
Offenland
Gerstenköpfe wiegen sich dicht an dicht im Wind der Hochfläche, aber nur wenige Arten können diese monotonen Lebensräume besiedeln.
Die Feldlerche ist eine typische Art der weiten Ackerfluren. Sie kommt häufig auf der Hochfläche vor. Ihr Nest legt sie in einer Bodenmulde an. Um ihre Jungen zu versorgen, fängt sie kleine Insekten. Doch werden die Halme des Getreides zu dicht, fällt ihr das Starten und Landen zunehmend schwer. Wo mancherorts als Naturschutzmaßnahme der Saatreihenabstand vergrößert wird, kann das Getreide auf den mit groben Kalkschottern übersäten, flachgründigen Ackerstandorten der Hochfläche natürlicherweise nicht so dicht gedeihen, sodass die Feldlerche hier gute Bedingungen vorfindet.
Strukturen sind in dieser oftmals ausgeräumten, verarmten Landschaft für andere Arten wiederum umso wichtiger. Das können einzelne Feldgehölze oder wegebegleitende Hecken, Säume oder Ackerrandstreifen oder eigens zur Förderung der Insektenvielfalt angelegte Blühstreifen sein.
Größere Bäume oder auch abgestorbene Gehölze dienen Greifvögeln als Ansitzwarte. Von dort oben haben sie die Landschaft gut im Überblick. Pflügt ein Landwirt seinen Acker, so sind die Rotmilane und Bussarde schnell vor Ort und warten auf leichte Beute aus dem Boden.
So wie die Feldlerche ein Charaktervogel offener Agrarstrukturen ist, so haben sich auch auf offene Grünlandflächen spezialisierte Arten in Paderborn hervorgetan.
Werden solche Wiesen nur ein oder zwei Mal im Jahr gemäht und kaum gedüngt, so ergeben sich extensiv bewirtschaftete Grünländer. Wenig intensiv und feucht, das sind gute Bedingungen für den Großen Brachvogel. Nicht nur zusammen mit dem Kiebitz steht er auf der Roten Liste der bedrohten Arten. Bedroht vor allem, weil die Entwässerung der Nasswiesen und die immer weiter zunehmende Intensivierung der Landwirtschaft keinen Platz mehr für diese Arten lassen. Der Schutz dieser Flächen ist daher zur Wahrung der Artenvielfalt essentiell.
Früher noch häufig mit Wasser bespannte Blänken, also kleine Vertiefungen in der Landschaft, die ab und zu auch mal trocken fallen können, sind nur noch selten zu finden. Genauso verhält es sich mit den Flößwiesen, die nur noch in Relikten zu erkennen sind - z. B. in den Lothewiesen. Über Jahrhunderte hinweg haben die Bauern ihre Wiesen nicht entwässert, sondern bewässert. Das Wasser angrenzender Bäche und Flüsse wurde meist aufgestaut und in ein weit verzweigtes künstlich angelegtes Grabensystem geleitet. Mit dem Wasser gelangten dann auch Nährstoffe auf die Wiesen und der Ertrag des Futtergrases konnte gesteigert werden.
Auf diese feuchten Weiden haben sich nicht nur Sumpfschrecke und die Goldene Acht, sondern auch spezialisierte Pflanzenarten wie das Wassergreiskraut angepasst. Ist es zu trocken oder die Bewirtschaftung zu intensiv, werden diese Arten verdrängt.
Die Sumpfschrecke zirpt nicht, wie andere Heuschreckenarten, sondern sie lässt sich gut an ihren knackenden und knipsenden Geräuschen erkennen. Typische Laute gibt auch der Große Brachvogel von sich. Sein typisch leises Flöten "kuui-kui-kuh" war früher in den Feuchtwiesen Paderborns, wo er nach Nahrung stochert, bekannt. Doch heute ist dieses typische Geräusch nahezu verschwunden.
An der Gunne, der Jothe oder in der Lippeaue werden einige der feuchten Grünlandflächen nicht gemäht und als Wiese bewirtschaftet sondern extensiv beweidet, sodass dort das Aufsteigende Wassergreiskraut gute Bedingungen findet.
Die Formenpracht unserer bunten heimischen Falter, wie auch der Goldenen Acht, ist in den letzten Jahren und Jahrzehten immer seltener zu bewundern.
Gefährdet sind die Offenlandlebensräume vor allem durch intensive landwirtschaftliche Nutzungen, aber auch Bebauung. Rücken Gebäude zu nah an die Brutstätten der Feldlerche heran, verschwindet sie.
Aber auch die Zerschneidung der Landschaft durch Straßen, Siedlungen oder andere anthropogene Überformungen ist zunehmend eine Gefahr. Nicht nur Arten der offenen Ländereien, sondern auch wandernde Amphibien sind davon bedroht.
Feucht- und Nasswiesen sind darüber hinaus besonders durch entwässernde Maßnahmen gefährdet. Feuchtlebensräume verschwinden daher zunehmend und das nicht nur im Rahmen des Klimawandels, sondern auch durch die Errichtung und Vertiefung von Gräben sowie die Anlage von Drainagen.
Gewässer und Feuchtlebensräume
So vielfältig wie die Gewässer Paderborns ist kaum ein anderer Lebensraum. Dort wo einst die Lippe und ihre Nebengewässer ihre Kiese und Sande hinterließen, entstehen noch heute die zahlreichen Abgrabungsgewässer. Teilweise werden noch Sedimente abgebaut, mancherorts haben sich aber insbesondere für Zug- und Rastvögel wertvolle Habitate gebildet. Nicht nur vom Padersee bekannt ist die Blässralle oder auch Blässhuhn genannt. Auch zahlreiche Entenvögel oder auch der Zwergtaucher nutzen diese Stillgewässer.
Neben den Stillgewässern hat Paderborn auch über 200 Kilometer Fließgewässernetz zu bieten. Viele der Gewässer wurden allerdings in der Vergangenheit begradigt, landwirtschaftliche Nutzungen und Bebauungen bis an den Rand der Uferböschungen herangeführt und ihre Auen entwässert. Damit einhergehend sind nicht nur die Fließgewässer selbst eingeschränkt worden, sondern typische Auenbewohner verloren immer weiter ihren Lebensraum.
Der sonst so dynamische Lebensraum der Aue, der regelmäßig mit unterschiedlicher Intensität überflutet wird, existiert nur noch an wenigen Stellen in seiner ursprünglichen Form. Doch da dieser Lebensraum so wertvoll für die daran angepassten Arten ist, werden vielerorts die Gewässer renaturiert.
Ob Pader und auch ihr Quellgebiet, Lippe, Alme, Rothebach, Jothe... die Liste der Gewässer an denen bereits Maßnahmen zur Verbesserung der Vielfalt vorgenommen wurden, ist lang und sie wird stetig länger.
Gewässerrenaturierungen dienen auch dem Artenschutz - tiefe Kolke, Wasserwechselzonen, Röhrichtvegetation, Flachwasserzonen, Totholz, Auwald - all diese Lebensräume bringen eine charakteristische und ausgesprochen vielfältige Lebensgemeinschaft mit sich.
Hecken- und Saumstrukturen
Wege durch die Landschaft - Ein Bild wie das der ausgeräumten Ackerlandschaft ist heute überall in der Landschaft problemlos zu finden. Saumstrukturen beschränken sich, wie hier gezeigt, meist auf Wegränder. Blütenreiche und ausreichend breite Raine nicht nur entlang von Wegen, sondern auch zwischen den Ackerschlägen, entlang von Hecken, Gärten, Gräben oder anderen Strukturen bieten Schutz und Rückzugsraum.
Kaum zu glauben, aber auch dem Feldhasen fällt das Überleben zunehmend schwerer. Nicht umsonst ist er auf der Roten Liste NRW aufgeführt, denn Rückzugsräume sind in der freien Landschaft vielerorts rar. Raine, Hecken und Alleen sind daher wichtige Bestandteile der Kulturlandschaft.
Und auch die Wege selbst bieten Lebensraum. Es muss dabei nicht immer versiegelt sein. Auf rohbodenreichen, offenen, von Grassäumen begleiteten Schotter- oder Feldwegen leben bei entsprechendem Nahrungsangebot zahlreiche Heuschrecken-, Falter- und andere geflügelte Insektenarten.
Aber vor allem Hecken und Alleen sind wichtige Habitatelemente, die Rückzugsraum, Nahrungsquelle und Fortpflanzungshabitat zugleich sind. Von den Gehölzen singen Goldammer und Dorngrasmücke. Weißdorn und Heckenrose bieten mit ihren roten Früchten gerade im Herbst hervorragende Nahrungsquellen. An vertrockneten Köpfen der Disteln oder anderer Hochstauden findet der Stieglitz oder auch Distelfink genannt, immer noch Sämereien.
Besonders vielfältig ist der Lebensraum des Schwarzkehlchens. Es bewohnt saumreiche, durch Hecken oder Gebüsche gegliederte halboffene Landschaften. Gehölze nutzt es dabei als Ansitzwarte zur Jagd auf Insekten. Hochstaudenfluren auf Brachflächen, Moore, Heiden und magere Grünländer werden aber auch besiedelt.
Bedroht sind diese Lebensräume insbesondere durch die Intensivierung der Landwirtschaft.
Der Einsatz von Düngemitteln lässt den Blütenreichtum nährstoffarmer Strukturen verschwinden. Rodungen von Feldgehölzen oder gebüschreichen Säumen führen zu einer Verarmung der Landschaft.
Arten, die auf strukturreiche Lebensräume angewiesen sind, verschwinden dann ebenfalls.
Wälder
Vielfalt und Strukturreichtum, das benötigt der Schwarzspecht. Häufig kommt er in altholzreichen Buchenwäldern vor. Umgestürzte Bäume und abgestorbene Äste nutzt der Schwarzspecht als Nahrungshabitat. In langsam verwitternden, morschen Hölzern findet er Larven und Insekten. Seine 30 bis 40 cm breiten und bis zu 60 cm tiefen Bruthöhlen legt er auch gerne in noch stehenden Tothölzern an.
Diese wirklich großen Höhlen werden auch gerne von Folgenutzern wie Fledermäusen, der Hohltaube und der Dohle oder dem Baummarder besiedelt.
Die "Unordnung" des Waldes ist jedoch in Paderborner Wäldern häufig nur noch in Naturschutzgebieten zu finden. Von einem sich ursprünglich selbst verjüngenden Wald mit unterschiedlichen Altersstufen - von der keimenden Eichel bis zum umgestürzten, verwitternden Altbaum - sind vielerorts nur gleichaltrige Wälder übrig geblieben. Dabei ist weniger oft mehr - bleibt der ein oder andere Baum auch einfach mal liegen, haben es Schwarzspecht und Co. einfacher.
Auf Dünenrelikten - beispielsweise im Sander Bruch - finden sich stellenweise noch strukturreiche Mischwälder. In Talvertiefungen zeigen diese mit Seggen im Unterwuchs auch feuchte Waldbereiche an.
Im Zuge der Forstwirtschaft entstehen vielerorts gleichaltrige, strukturarme Buchen-Hallenwälder. An anderen Standorten war die Fichte eine beliebte Baumart. Fichtenforste als Monokulturen - dort konnte sich der Borkenkäfer in den letzten Jahren besonders gut ausbreiten. Mehr dazu lesen Sie beim Thema Klimawandel.
Der Wald kann aber auch anders - Wald als blütenreicher Standort - wo ist das zu finden? Paderborner Wälder können nicht nur im Herbst in ihrer vielfältigen Farbenpracht erscheinen. Auch im Frühjahr sprießen Leberblümchen, Schlüsselblume und Lerchensporn bevor sich das dichte Blätterdach schließt. So können diese zu den Frühblühern gehörenden Pflanzen noch die für das Wachstum wichtigen ersten Sonnenstrahlen des Jahres nutzen, bevor sie sich während des restlichen Jahres wieder in den Boden zurückziehen. Auch die Pestwurz, die besonders in feuchten Wäldern wie Bruchwäldern und Auwäldern zu finden ist, steckt ihre Blütenköpfe früh im Jahr empor.
Siedlungen und Gebäude
Eine offene Tür für Schwalbe? Die typischen Kulturfolger sind auf unsere Hilfe angewiesen. Sie jagen meist in vielfältiger offener Kulturlandschaft entlang von Wegen, Hecken, Säumen, auf Wiesen oder Weiden, doch zum Brüten leben sie in unserer direkten Nachbarschaft. Rauchschwalbe, Schleiereule und Turmfalke nutzen nicht nur offene Scheunentore und Fenster, sondern auch Einflugmöglichkeiten in Giebel und abgängige Holzverkleidungen. Früher waren sie noch häufige Gäste, heute sind sie vielfach auf Nisthilfen angewiesen.
Selbst kleinste Ritzen und Spalten werden von einigen Arten genutzt. Kaum zu finden, aber die Zwergfledermaus, die nur wenige Gramm wiegt, nutzt dabei auch Einschlupfmöglichkeiten hinter Fassadenverkleidungen, Dachtraufbereichen oder Rollladenkästen. Die dämmerungs- bzw. nachtaktiven Fledermäuse kommen selbst in der Paderborner Innenstadt vor. Schauen Sie doch mal genau hin, vielleicht entdecken Sie eine ihrer geflügelten Vertreter am Nachthimmel.
Während die Bewohner der Gebäude meist still und heimlich ihren Lebensraum bewohnen, sind ihre Hinterlassenschaften aber manchmal deutlich sichtbar. Ein gewisses Maß an Toleranz für diese streng geschützten Arten ist sicherlich notwendig, doch auch durch Kreativität wie z. B. das Anbringen von Kotbrettern oder durch den gezielten Einsatz von Nisthilfen, kann das Leben nebeneinander gut gelingen.
Für Mauersegler, Schwalben oder auch Insekten gibt es viele Beispiele. Nicht nur mit Nisthilfen und Fledermauskästen, sondern auch durch eine blütenreiche Garten- oder Balkongestaltung können Sie den Siedlungsbewohnern helfen. Sie möchten auch Ihr Umfeld artenreicher gestalten? Sprechen Sie uns an!