Entdeckungen neuer Schlangenarten
Slowinski-Walzenschlange
Neue Schlangenart aus Myanmar im Naturkundemuseum entdeckt
Forscher haben eine neue, ungiftige Schlangenart aus Myanmar nach dem Reptilienkundler
Joe Slowinski, dem „König der Schlangen“, benannt.
Reptilien-Freunde aufgepasst: Ein internationales Forscherteam unter Leitung von Dr. Sven Mecke (ehemals am Naturkundemuseum Paderborn) hat eine neue Schlangenart entdeckt. Benannt wurde sie nach dem Reptilienkundler Joe Slowinski, der während einer Forschungsreise im Norden Myanmars am Biss eines Kraits (einer Giftnatter) starb. So heißt das neuentdeckte, schwarz-weiß gebänderte Reptil, das in den Sammlungen der California Academy of Sciences in San Francisco und des National Museum of Natural History in Washington, DC gefunden wurde, nun Slowinski-Walzenschlange (Cylindrophis slowinskii). „Die Entdeckung zeigt, was für erstaunliche Arten sich in den Schränken von Museumssammlungen versteckt halten und auf ihre Entdeckung warten“, sagt Dr. Sven Mecke.
Wie das Team im Fachblatt Zootaxa schreibt, lebt Cylindrophis slowinskii nur am Ufer des Indawgyi-Sees im Kachin-Staat im Norden von Myanmar – einer Region mit einer ausgesprochen hohen Artenvielfalt. „Myanmar ist eines der letzten, weitgehend unerforschten Gebiete der Erde, ein Hotspot der biologischen Vielfalt.“ sagt Erstautor Justin Bernstein von der State University of New Jersey, USA. Cylindrophis slowinskii ist nun schon die 177ste Schlangenart, die in dem südostasiatischen Land nachgewiesen worden ist. Bei uns in Deutschland leben gerade einmal sechs Schlangenarten.
Die neue Schlange gehört zur Familie der Walzenschlangen, von denen es noch 14 weitere Arten gibt. Diese ungiftigen Schlangen sehen sich oft ziemlich ähnlich, sodass eine neue Art leicht übersehen werden kann. Das Besondere der rund 30 Zentimeter langen Cylindrophis slowinskii: die Beschuppung des Schwanzes und die vielen länglichen Flecken auf der Körperunterseite. Per DNA-Analyse konnten die Forscher sie als eigenständige Art identifizieren. Die bisher unbekannte Art gehört zu den Wühl- und Riesenschlangenartigen und damit zu jener Überfamilie, zu der auch die größten lebenden Schlangenarten zählen.
Cylindrophis slowinskii ist übrigens nicht das erste Reptil, das nach Slowinski benannt wurde. Im Jahr 2002 erhielt ein in Myanmar beheimateter Gecko den Namen dieses Forschers (Cyrtodactylus slowinskii), im Jahr 2005 war ein in Thailand, Laos und Vietnam verbreiteter Krait an der Reihe (Bungarus slowinskii). Über zehn Jahr später entdeckten Forscher eine kleine Agame (eine Echse) in China, die sie Diploderma slowinskii tauften. „Bestimmt werden auch noch weiter Arten zu Ehren von Joe Slowinski benannt, schließlich war er einer der weltweit führenden Experten für asiatische Reptilien“ so Dr. Mecke.
Steckbrief Walzenschlangen (Cylindrophis). Walzenschlangen sind weniger als einen Meter lange, grabende Reptilien, die auf Sri Lanka und in Südostasien vorkommen. Besonders charakteristisch für diese Reptilien sind ihr kurzer Kopf mit kleinen Augen, der kurze Schwanz und die auffällig gemusterte Körperunterseite. Bei Gefahr wird der hintere Körperabschnitt abgeflacht und die meist rot gefärbte Schwanzunterseite präsentiert. Walzenschlangen sind lebendgebärend und bringen bis zu 15 Junge zur Welt. Sie ernähren sich von anderen Schlangen, Echsen und Fischen. Aufgrund ihrer versteckten Lebensweise ist bis heute nur wenig über sie bekannt.
Kurzbiografie Joe Slowinski
Joseph “Joe” Bruno Slowinski (15. November 1962 – 12. September 2001) war ein US-amerikanischer Reptilienkundler. Er war seit seiner Kindheit besonders fasziniert von der Familie der Elapidae – den Giftnattern, mit dem gefürchteten Viergestirn Kobras, Mambas, Kraits und Korallenottern. Seine erste Schlange fing er im Alter von gerademal vier Jahren. Im Verlauf seiner Karriere wurde er mehrmals gebissen. Nach der Überwindung vieler bürokratischer und logistischer Hindernisse gelang es dem enthusiastischen und ehrgeizigen Wissenschaftler im Jahr 2001, eine internationale Expedition in den abgelegenen und noch kaum erforschten Norden Myanmars zu organisieren. Am 11. September, am Tag des bislang folgenschwersten Terroraktes in seiner Heimat, wurde der Reptilienkundler in einem Moment der Unachtsamkeit von einem Krait (Bungarus multicinctus) gebissen und verstarb.
Förderung: Die zugrundeliegenden Forschungsarbeiten wurden durch das American Museum of Natural History in New York, die Villanova University in Pennsylvania und die National Geographic Society finanziell gefördert.
Hinweis:
Auch in der Sonderausstellung des Naturkundemuseums Paderborn, „Kleid der Tiere“ waren Schlangen zu sehen. In mit Alkohol gefüllten und beleuchteten Gläsern zeigte das Museum diese Schätze aus der Sammlung der Philipps-Universität Marburg.
Timor-Schiefernatter
Forscherteam aus Paderborn, Bonn und Wolverhampton entdeckt neue Schlangenart
Sie ist 80 Zentimeter lang und auf der Insel Timor im Indischen Ozean beheimatet: Ein internationales Team unter Beteiligung von Dr. Sven Mecke (ehemals vom Naturkundemuseum Paderborn) hat eine neue Schlangenart beschrieben und auf den Namen Stegonotus nancuro getauft. Die Studie wurden in der Fachzeitschrift „Zootaxa“ veröffent.
Auf den ersten Blick ist Stegonotus nancuro, die Timor-Schiefernatter, kaum von ihren Verwandten zu unterscheiden. Erst die genauere Betrachtung zeigt, dass sich das 80 Zentimeter lange Tier durch die Anzahl und Ausprägung seiner Schuppen von anderen Schiefernattern unterscheidet.
Die Insel Timor, auf der die neue Schlange lebt, liegt nördlich von Australien im Indischen Ozean und ist zweigeteilt: der westliche Teil gehört zu Indonesien, der östliche Abschnitt bildet die Demokratische Republik Timor-Leste, die auch als Osttimor bekannt ist. Dr. Sven Mecke und seine KollegInnen haben die neue Art auf einer Expedition nach Timor-Leste entdeckt. Dort kommt sie ausschließlich entlang eines Küstenstreifens vor, der von den Einheimischen als „Nancuro“ bezeichnet wird. Nach dieser Gegend ist die neue Art nun benannt worden. Den Namen vorgeschlagen hat der große Naturfreund, ehemalige Staatspräsident sowie Premier- und Außenminister Timor-Lestes, José Ramos-Horta. Das Forscherteam hat Ramos-Horta die Beschreibung der neuen Arte außerdem anlässlich eines Jubiläums gewidmet, denn vor 25 Jahren hat er für seine Bemühungen, eine friedliche Lösung im Osttimorkonflikt zu finden, den Friedensnobelpreis erhalten.
Timor-Leste ist laut Dr. Sven Mecke im Vergleich zu vielen anderen tropischen Regionen bisher nicht besonders gut untersucht. „Zahlreiche weiterer unbekannte Arten aus Timor warten noch auf ihre wissenschaftliche Beschreibung“, sagt der Zoologe. Auf Timor herrscht ein tropisches Klima und die Fauna ist sehr artenreich. Allerdings sind bisher erst vier Individuen von Stegonotus nancuro bekannt, was darauf hindeutet, dass es sich bei dieser Schlange um eine gefährdete Art handeln könnte. Ihr Verbreitungsgebiet ist sehr klein, und die Anforderungen an ihren Lebensraum, den Küstenregenwald, sind sehr spezifisch. Die Timor-Schiefernatter fehlt im monotonen Gras- und Buschland, das den Regenwald umgibt. „Von der neuen Art gibt es vermutlich nur ein paar hundert Tiere“, sagt Prof. Dr. Hinrich Kaiser vom Zoologischen Forschungsmuseum Alexander Koenig in Bonn.
Über die Lebensweise der neuen Art ist kaum etwas bekannt. Vermutlich ernährt sich diese nachtaktive Schlange, wie verwandte Arten auch, von Kaulquappen, Fröschen sowie Reptilien und deren Eiern. Den Tag verbringen die Tiere meist schlafend unter umgestürzten Baumstämmen. „Schiefernattern sind zwar recht friedlich, können aber auch sehr schmerzhaft zubeißen“, berichtet Prof. Dr. Mark O’Shea von der University of Wolverhampton in Großbritannien aus eigener Erfahrung.
„Es war erstaunlich, dass sich diese Inseltiere beim näheren Hinschauen von anderen Populationen deutlich unterschieden“ erklärt Dr. Mecke. Prof. Kaiser ergänzt „Die Entdeckung einer neuen Art ist ein bedeutendes Ereignis in der Wissenschaft.“ Es kommt allerdings immer wieder vor, dass neue Arten beschrieben werden. So waren Kaiser und Mecke im letzten Jahr an der Beschreibung einer neuen Walzenschlange aus Myanmar beteiligt.
Timor und Myanmar haben übrigens etwas gemeinsam: Sie sind bekannt für ihre außergewöhnliche Vielfalt an Tier- und Pflanzenarten und werden deshalb auch als sogenannte „Biodiversitäts-Hotspots“ bezeichnet. In solchen Hotspots der Artenvielfalt werden häufig fantastische Tierwesen entdeckt: Mini-Frösche, Drachen-Echsen, flauschige Fledermäuse und selbst neue Menschenaffen. Nur durch die Beschreibung neuer Tierarten ist es möglich, deren Einzigartigkeit hervorzuheben und sie in Zukunft zu schützen. „Wir hoffen sehr stark und werden uns auch dafür einsetzen, dass die neue Schlangenart aus Timor-Leste als einzigartige Spezies adäquat geschützt wird“ resümiert Prof. O‘Shea.