Modellprojekt Kinderbildungshaus Paderborn
Das inzwischen etablierte Modellprojekt „Kinderbildungshaus Paderborn“ mit der Grundschule Stephanus, der städt. Kita Fontane und der städt. Kita Lange Wenne / Familienzentrum ist das erste Kinderbildungshaus in NRW. Die Zusammenarbeit stellt eine große Chance für Kinder zur erfolgreichen Bewältigung des Übergangs dar.
Im Modellzeitraum 2010 bis 2013 wurde unter Beteiligung zahlreicher regionaler Partnereinrichtungen der Stadt Paderborn dieses erste Kinderbildungshaus auf Landesebene entwickelt. Mittlerweile ist es selbstverständlich, dass die Erstklässler und die zukünftigen Schulanfänger in sogenannten „Lernwerkstätten“ von- und miteinander lernen.
Dieser fließende Übergang für die Kinder zeigt sich gleich zu Beginn der 1. Klasse: die Kinder kommen vorbereitet und sicher an, es sind keine Ängste erkennbar und die bisherige Phase des „Sicheinlebens“ ist wesentlich verkürzt.
Im Folgenden wird der Entwicklungsprozess des Modellprojektes dargestellt, um aufzuzeigen, welche Wege notwendig und auch möglich sind, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen: eine optimale Übergangsgestaltung für die Kinder.
Wie in Paderborn alles begann …
Die Idee zu einem „Kinderbildungshaus“ basierte auf einem 5-jährigen Entwicklungsprozess, beginnend 2005 mit der Gründung des Netzwerks zum Thema Übergang Kita – Grundschule. In einer 2005 durchgeführten Elternbefragung zum Thema „Wie erleben Eltern den Übergang ihres Kindes von der Kindertageseinrichtung in die Grundschule?“ konnte das Ziel herausgefiltert werden, die Zusammenarbeit auf der Grundlage eines zu entwickelnden Konzeptes systematisch auszubauen.
Im Herbst 2009 konnten sich Kitas und Grundschulen, die bereits auf eine Kooperation im Übergang zurückblicken konnten, für das Modellprojekt Kinderbildungshaus bewerben. Die Bewerbungsunterlagen basieren auf den Säulen des Maßnahmenkatalogs.
Besondere Ausführungen wurden zu folgenden Punkten erwartet:
- Ausgangslage
- Ziele und Zielgruppe
- Inhaltliches Konzept / Geplante Durchführung
- Zeitplanung
- Vorhandene Ressourcen
- Benötigte Ressourcen
- Dokumentation / Evaluation
Auszug aus den Bewerbungsunterlagen
Ausgangslage:
Seit mehreren Jahren arbeiten die sich in unmittelbarer Nähe befindenden städtische Kindertageseinrichtung Fontane, städtische Kindertageseinrichtung / Familienzentrum NRW Lange Wenne und Stephanusschule kommunikativ zum Wohle der Kinder zusammen, um den Übergang von der Kita in die Schule gelingen zu lassen.
Die gemeinsamen Planungen in der Regionalkonferenz IV, einem Zusammenschluss von Kindertageseinrichtungen und Grundschulen aus dem Stadtteil, sind umgesetzt worden.
Die Kooperation im Hinblick auf die Information der Eltern der 4-jährigen Kinder, der Sprachstandsfeststellung („Delfin 4“) und vorbereitenden Maßnahmen ein Jahr vor dem Schulbeginn und im Jahr nach dem Schulstart sind erprobt und in einer Jahresplanung fest verankert (z.B. Spiel- und Patenfest, Schnupperstunde, gegenseitige Hospitation, Elterninformationen). Weitere Kooperationen wie beispielsweise die gemeinsame aktive Mitarbeit am Runden Tisch „Kinder und Jugendliche in Osten der Stadt Paderborn“, einer Initiative, die die Möglichkeiten der Kinder und Jugendlichen in diesem Stadtteil verbessern soll, finden regelmäßig statt. Gerade in diesem Zusammenhang ist die Kooperation mit außerschulischen Partnern erprobt. Gegeben durch die räumliche Nähe werden nach Absprache die Turnhalle, das Außengelände und die Bücherei der Grundschule von allen Kindern der Einrichtungen genutzt.
Ziele:
Die Einrichtungen verfolgen das Ziel, die Kontinuität der Bildungsprozesse zu sichern. Dazu müssen Bildungsziele und -inhalte aufeinander abgestimmt werden, d.h. ein gemeinsames Bildungsverständnis soll entwickelt werden. Ein Leitmotiv mit konkreten Grundsätzen soll gemeinsam erarbeitet werden.
Zielgruppen:
- Alle Kinder aus dem sozialen Umfeld, die übergangslos von den pädagogischen Fachkräften von Beginn der Kita bis zum Ende Grundschule begleitet werden.
- Eltern, die durch diese intensive und kontinuierliche Zusammenarbeit zu einer konstruktiven Mitarbeit und Mitbestimmung aufgefordert werden.
- Erzieherinnen und Lehrer/innen, die die gemeinsamen Vorhaben planen, durchführen und evaluieren.
Das gemeinsame Vorhaben steht auf drei gleichrangigen Säulen:
1. Zusammenarbeit:
Erarbeitung eines gemeinsamen Bildungsverständnisses: In gemeinsamen Dienstbesprechungen werden Ziele, Regeln, Umgangsformen, Aufgaben, Arbeitsweisen und Organisationsformen vereinbart. Dabei geht es letztlich um das Entwickeln eines Leitmotivs mit dem entsprechenden „Wir-Gefühl“.
2. Einbeziehung und Begleitung der Eltern:
• Gemeinsames Elterncafé
• Gemeinsame Elternschule
• Gemeinsame Elterninformationen
• Gemeinsame Elternberatung / Hilfe bei der Erziehungsarbeit und bei Problemen (unterstützt durch die Schulsozialarbeiterin vor Ort)
3. Gemeinsame Fortbildungen der Kollegien:
• zur Arbeit mit den Kindern
• zur Elternarbeit
• zur Verbesserung der Kommunikation untereinander
• zur Organisation, zu möglichen Verfahrensweisen und Evaluation
Doch nun war die Zielrichtung eine ganz andere:
„Wir wollten gemeinsam wachsen!“
Ausgehend von den Fragen: „Wie kann der Übergang besser gelingen?, „Wie kann man den oft als ‚Bruch‘ empfundenen Wechsel so gestalten, dass daraus ein nahtloser Übergang wird?“ sind alle Beteiligten gemeinsam gestartet. Der Wunsch nach Veränderung war Konsens, der Weg dorthin war jedoch noch offen.
Die Chance lag und liegt auch immer noch darin, den Weg selber gestalten zu können. Zuerst wurden die Unterschiede in der Organisation, den Inhalten und den Zielen unserer beiden Systeme Kita und Grundschule offensichtlich. Noch spannender war jedoch die Frage nach den Gemeinsamkeiten: „Was lässt sich optimieren, indem es gemeinsam gestaltet wird?“ Die pädagogischen Fachkräfte wollten die bisherigen Ansätze nicht nur verbessern, sondern neue Wege beschreiten und haben mit der Umsetzung folgender Ideen begonnen:
- Festlegen gemeinsamer Regeln, die bereits in der Kita eingeführt und später in der Schule übernommen werden.
- Bessere Abstimmung zum Erwerb von Basiskompetenzen und zum gemeinsamen Lernen.
- Suche einer neuen Möglichkeit der Dokumentation von Lernprozessen der Kinder.
Die Motivation für die Bewerbung zum Modellprojekt „Kinderbildungshaus“ war der gemeinsame Wunsch nach einem Übergangsraum mit niveaudifferenzierten Angeboten für die Kinder.
Hier sollte jahrgangs- und einrichtungsübergreifendes Lernen ermöglicht werden, um den Übergang über einen Zeitraum von einem Jahr als Prozess zu gestalten. Nicht punktuelle Veranstaltungen oder eine vorgezogene Vorbereitung auf die Anforderungen der Schule waren angedacht, sondern ein langfristiges Konzept, das die beteiligte Schule und die beiden Kindertageseinrichtungen mit ihren Stärken und dem fruchtbaren Potential verbindet.
Bei aller Euphorie war es aber auch ratsam, die Erwartungen und das Tempo nicht zu überziehen. So ein Umbruch braucht Zeit, das kann nicht in Monaten, auch nicht in ein bis zwei Jahren geschehen. Und so begaben sich die Lehrer/innen in die Kitas und beobachteten ihre zukünftigen Schüler beim Spiel, beim Frühstücken, beim Singen, draußen an den Spielgeräten und im Gespräch. Diese Besuche waren sehr hilfreich, um zu sehen, welche Formen des Lernens, des Spielens, des Miteinander-Umgehens den Kindern vertraut sind und mit welchen Vorerfahrungen sie in die Schule kommen.
Für die Lehrer/innen war dies eine gute Vorbereitung für das neue erste Schuljahr. Auch die Erzieherinnen nahmen am Unterricht teil, um die Abläufe und Vorgehensweisen in diesem System besser kennenzulernen. Die eigenen Erfahrungen aus dem Schulalltag haben deutlich dazu beigetragen, die andere „Seite“ besser zu verstehen und gemeinsam für die Kinder im Übergang erfolgreiche Lösungen zu finden. Diese Erkenntnis traf auch für die Lehrer/innen zu, so dass die Beteiligten in Bezug auf die gegenseitige Annäherung einen großen Schritt weiter waren.
Finanzen und Förderer
Das Pilotprojekt „Kinderbildungshaus“ wurde durch eine Reihe von unterschiedlichen Akteuren gestaltet, zum einen sind es inhaltliche Beteiligte wie die Kinder, Lernbegleiter und Leitungen der drei Einrichtungen. Zum anderen gehören auch externe Förderer dazu, die das Projekt finanziell und auch inhaltlich unterstützt haben, wie das Bildungsbüro Kind & Ko, die Stadt Paderborn, das Evaluationsteam der Universität Paderborn, das Schulamt des Kreises Paderborn, die Peter Gläsel Stiftung aus Detmold und die Sparkassenstiftung Paderborn.
Die Schule wird durch das Land NRW insofern unterstützt, als dass die Lehrer/innen jeweils eine Ermäßigungsstunde pro Woche erhalten. Die Erzieherinnen der Kitas erhalten keine zusätzliche Entlastung, sie werden jedoch für alle Tätigkeiten des Kinderbildungshauses freigestellt. Da die Betreuungsarbeit in den Kitas durchgehend gewährleistet sein muss, übernehmen die Mitarbeiterinnen in den Einrichtungen die Arbeit derjenigen, die gerade im Kinderbildungshaus tätig sind.
Die Stadt Paderborn hat dem Projekt darüber hinaus ein festes festes Budget für Anschaffungen im Rahmen des Kinderbildungshauses zur Verfügung gestellt. Ebenso wurden die Kosten für Fortbildungen im Zusammenhang mit dem Kinderbildungshaus und auch die Finanzierung der Schulsozialarbeiterin mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 19,5 Stunden von der Stadt Paderborn übernommen.
Die Kosten für die Evaluation sind von der Peter Gläsel Stiftung als auch von der Sparkassenstiftung Paderborn übernommen worden, so dass das Modellprojekt von Beginn an wissenschaftlich begleitet werden konnte.
Akteure und Kooperationsstrukturen
Neben den wichtigen Partnern, die die Kooperationsvereinbarung zum Kinderbildungshaus unterzeichnet haben, sind viele weitere Akteure am Modellprojekt beteiligt. Um die genaue Zuordnung und die strukturellen Abläufe deutlich zu machen, ist eine Organisationsstruktur entwickelt worden, die die Zusammenarbeit aller Beteiligten deutlich macht.
Lenkungsgruppe
Die Lenkungsgruppe – bestehend aus Vertretern des Schul- und Sozialdezernats, dem Schulamt, dem Jugendamt, dem Schulverwaltungsamt, der Peter Gläsel Stiftung und der Universität Paderborn – hat die drei Einrichtungen für das Modellprojekt ausgewählt und war somit von Beginn an intensiv beteiligt. Im weiteren Verlauf des Projektes tagte diese Gruppe ein- bis zweimal jährlich, zum einen um die inhaltliche Entwicklung zu begleiten und zum anderen um die Qualitätsentwicklung zu unterstützen. Bei konkreten Fragen auf der Entscheidungsebene wurde die Lenkungsgruppe gesondert informiert, so dass ein regelmäßiger Informationsfluss bestand.
Geschäftsführung Bildungsbüro Kind & Ko
Das Bildungsbüro Kind & Ko der Stadt Paderborn ist seit Beginn im Projekt Kinderbildungshaus beteiligt, da dort bereits der Schwerpunkt „Übergang Kita – Grundschule“ fest verankert war. Das gesamte Bewerbungsverfahren und die Auswahl in der Lenkungsgruppe wurden durch das Bildungsbüro umgesetzt.
Eine intensive Einbindung der Geschäftsführung in Abläufe vor Ort, der Teilnahme an konkreten Vorhaben und der kontinuierliche Austausch mit allen Akteuren war eine Grundvoraussetzung, um ein solch umfangreiches Projekt begleiten zu können. Dafür mussten keine neuen Arbeitskreise gegründet werden, sondern das Bildungsbüro konnte in regelmäßigen Abständen an bereits etablierten Strukturen (z.B. Treffen des Leitungskreises oder Projektteams) teilnehmen. Somit konnte durch die Geschäftsführung auch gewährleistet werden, als kompetenter Ansprechpartner für externe Anfragen zu fungieren und die Interessen der Beteiligten, auch auf kommunalpolitischer Ebene oder in der Lenkungsgruppe, zu vertreten.
Beraterkreis
Dieses Gremium hat in erster Linie der inhaltlichen Unterstützung und fachlichen Beratung des Bildungsbüros Kind & Ko gedient, um die laufenden Prozesse durch externe Beteiligte zu reflektieren. Zu dem Beraterkreis gehören ein Vertreter der Peter Gläsel Stiftung sowie der Universität Paderborn. Bei Bedarf konnte der Beraterkreis noch erweitert werden und auch die Fachberatung der städtischen Kindertageseinrichtungen, eine Mitarbeiterin des Zentrums für Bildungsforschung und Lehrerbildung der Universität Paderborn („PLAZ“), die Schulsozialarbeiterin sowie eine weitere Leitung einer Grundschule für inhaltliche Fragen hinzugezogen werden.
Leitungskreis
In diesem Kreis treffen sich die Leiterinnen der drei am Kinderbildungshaus beteiligten Einrichtungen, um inhaltliche Absprachen zu treffen und nächste Entwicklungsschritte zu planen. Dabei besteht ein enger Austausch zum Projektteam, um sich an den Bedarfen vor Ort zu orientieren und die praktische Umsetzung und weitere Planungen einzubeziehen. Konkret übernimmt der Leitungskreis u.a. folgende Aufgaben:
- Enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem jeweiligen Träger und Dienstvorgesetzten
- Erfüllung des Bildungsauftrags in den Kindertageseinrichtungen und in der Grundschule sowie dessen Qualitätssicherung
- Öffentlichkeitsarbeit zum Kinderbildungshaus, d.h. Präsentation der gemeinsamen Arbeit bei den Eltern, auf Veranstaltungen oder in verschiedenen Gremien
- Regelmäßiger Austausch mit dem Bildungsbüro Kind & Ko, der Geschäftsführung des Modellprojektes, zur transparenten Gestaltung von Strukturen und Kommunikationswegen
- Vorbereitung und Durchführung von Fortbildungen sowie Planung und Durchführung von Konferenzen mit allen am Kinderbildungshaus beteiligten Personen
- Dienstplangestaltung und ressourcenorientierte Personalplanung
Projektteam
Zu dem Projektteam gehören sechs Erzieherinnen aus den beiden Kindertageseinrichtungen Fontane und Lange Wenne, sechs Lehrer/innen aus der Stephanusschule sowie die Schulsozialarbeiterin.
Für das Projektteam ist bewusst der Terminus „Lernbegleiter“ gewählt worden, um keine Unterscheidung zwischen Kita und Schule vorzunehmen.
Das Ziel ist, die Kinder gemeinsam auf ihrem Weg in die Grundschule zu begleiten, ihnen Anregungen zu geben und Impulse zu setzen. Das Führen und Vorgeben sollte dabei so weit wie möglich in den Hintergrund treten. Zunächst ging es um ein gegenseitiges Kennenlernen und das Entwickeln von gemeinsamen Arbeitsstrukturen für bisher zwei eigenständige Systeme. Dabei gab es schon zu Beginn der Projektphase einen Wechsel der Blickrichtungen: Es galt, eine Kommunikation auf Augenhöhe zu schaffen und gemeinsam den Übergang der Kinder erfolgreich zu gestalten. Die Motivation und das Schaffen von geeigneten Rahmenbedingungen gehören u.a. auch dazu, um eine Atmosphäre des kreativen Miteinanders zu fördern.
Das Projektteam trifft sich, um inhaltliche sowie organisatorische Themen zu bearbeiten. In den Sitzungen wird aber nicht nur geplant, sondern auch immer wieder reflektiert, so dass daraus ein permanenter Wandel der Vereinbarungen entstanden ist. Anfangs zeigte sich das Problem, dass sich Erzieherinnen und Lehrer/innen in ihren Einrichtungen zwar täglich sahen und fortlaufend austauschten, sich der Informationsfluss über die Einrichtungen hinweg aber als schwierig gestaltete. Dahingehend sind in den Sitzungen verbindliche Beschlüsse gefasst und Ergebnisse festgehalten worden, die an alle Mitglieder im Projektteam weitergegeben werden mussten.
Inhaltlich stehen beim Projektteam die konkrete Planung, Durchführung und Auswertung der Lernwerkstätten an erster Stelle.
Kinder im Übergang
Im Modellprojekt geht es darum, die Kinder auf dem Weg von der Kita in die Grundschule zu begleiten. Somit stehen diejenigen Kinder im Mittelpunkt, die sich im letzten Kita- bzw. im ersten Grundschuljahr befinden. Diese Gruppe bietet viele Chancen für die Gestaltung eines erfolgreichen Übergangs im Miteinander: Die Kinder aus der Kita lernen frühzeitig ihre neue Schule kennen und treffen dort auf vertraute Gesichter, nämlich die ehemaligen Kinder aus der Kita. Die Kinder im ersten Schuljahr sind die „Großen“ und können ihr Wissen und ihre Erfahrungen aus der Schule an die „Kleinen“ weitergeben. Auf diese Art und Weise können alle Beteiligten einen Gewinn aus der Zusammenarbeit in den Lernwerkstätten, aber auch auf dem Schulhof oder in anderen Situationen ziehen.
Nebenbei erhalten auch die Schulkinder aus dem 3. bzw. 4. Schuljahr besondere Verantwortung für die Kita-Kinder und zukünftigen Erstklässler: Sie übernehmen die Patenschaft für ein oder zwei Kinder und können die „Neuen“ somit von Beginn an in der Schule begleiten und bei Bedarf Hilfestellung geben.
Evaluationskreis und wissenschaftliche Begleitung
Für die Evaluation des Modellprojektes „Kinderbildungshaus“ konnten Wissenschaftler der Arbeitsbereiche „Grundschulpädagogik und Frühe Bildung“ sowie „Schulpädagogik und Schulentwicklung“ der Universität Paderborn gewonnen werden, die von Beginn an praxisnah in das Projekt eingebunden waren. Die Zusammenarbeit zwischen dem Evaluationskreis und den sonstigen Akteuren des Kinderbildungshauses gestaltete sich im Dialog zwischen Forschung und Praxis. So kamen die beteiligten Begleitforscher nicht nur zu den so genannten „Messzeitpunkten“ und zur Rückmeldung der Ergebnisse ins Projekt. Vielmehr zählten auch Anstöße zur Veränderung sowie Prozess- und Fachberatung zu den Aufgaben der wissenschaftlichen Begleitung. Konkret wurden alle Beteiligten mittels Fragebögen und Interviews befragt – einschließlich der Kinder aus allen drei Einrichtungen.
Grundsätze und Leitziele
Von Beginn an zeichnete sich das Vorhaben durch hohe Komplexität und Entwicklungsoffenheit aus. Zwar war mit dem Leitgedanken der Bildungskontinuität am Übergang durch optimierte, innovative Formen der Zusammenarbeit zwischen den Kitas und der Grundschule eine Zielperspektive gegeben, aber der Weg dorthin war offen und durch die Beteiligten gestaltbar.
Die neuen nordrhein-westfälischen „Grundsätze zur Bildungsförderung für Kinder von 0-10 Jahren“ boten dazu einen Orientierungsrahmen und sollten mit dem Modellprojekt auch einer Erprobung unterzogen werden. Darin wird in Bezug auf den Übergang ausgesagt, dass es entscheidend sei, dass begonnene Entwicklungs- und Lernprozesse aus der Vorschulzeit durchgehend fortgeführt werden, aber auch gleichzeitig neue Herausforderungen an das Kind stellen. Die Kontinuität und Diskontinuität in der subjektiven Wahrnehmung des Kindes müssen in einem ausgewogenen Verhältnis stehen, damit die Kinder sich vor, während und nach dem Übergang sichtlich wohlfühlen, sozial integriert sind, die Bildungsangebote für sich nutzen und neue Kompetenzen erwerben können (vgl. Erprobungsfassung Bildungsgrundsätze NRW 2010, S. 35ff). Dieser grobe Rahmen wurde zunächst in Form von Grundsätzen und Leitzielen im Kinderbildungshaus konkretisiert. Basierend auf den guten Erfahrungen in der Zusammenarbeit der drei Einrichtungen schon vor der Modellphase wurde im Kinderbildungshaus folgendes gemeinsames Bild vom Kind entwickelt:
- Kinder wollen Sicherheit und Orientierung!
- Kinder sind neugierig und wollen lernen!
- Kinder wollen ernst genommen werden und mitbestimmen!
Darüber hinaus arbeitet das Projektteam nach folgenden Leitsätzen:
Übergang:
„Wir geben Orientierung und schaffen Sicherheit für einen fließenden Übergang von der Kita in die Grundschule.“
Soziales Miteinander:
„Wir bieten Raum für die Weiterentwicklung sozialer Kompetenzen in einer Gemeinschaft aus zukünftigen Schulkindern und Grundschülern.“
Gemeinschaftliches Lernen:
„Wir bieten ein vielfältiges Bildungsangebot zur gemeinsamen Erprobung und Erweiterung individueller Fähig- und Fertigkeiten.“
Dokumentation:
„Wir beobachten und dokumentieren im Sinne der Qualitätssicherung des Lernens im Übergang die Bildungsprozesse der Kinder regelmäßig. Dabei werden sie im Sinne des selbstreflexiven Lernens aktiv beteiligt.“
Gemeinsame inhaltliche Vereinbarungen
In einer ersten gemeinsamen Veranstaltung, an der die Schul- und Kita-Leitungen, das gesamte Kollegium der drei beteiligten Einrichtungen, das Bildungsbüro Kind & Ko als Geschäftsführung des Modellprojektes Kinderbildungshaus, die Geschäftsführung der Peter Gläsel Stiftung und die Wissenschaftler der Universität beteiligt waren, wurden wichtige Vereinbarungen in Bezug auf die inhaltlichen Schwerpunktsetzungen für die drei Modelljahre getroffen. Diese und die mit ihnen verbundenen Zielsetzungen bildeten die wesentlichen Eckpunkte der Zusammenarbeit.
Die Einbindung der Schulsozialarbeit
Im Kinderbildungshaus kommt der Schulsozialarbeiterin eine besondere, ergänzende Bedeutung zu, da ihre Zuständigkeiten sowohl die zukünftigen Schulkinder in den Kindertageseinrichtungen Fontane und Lange Wenne als auch die Erstklässler der Grundschule Stephanus betreffen. Sie kann sich in ihrer Arbeit auf die Entwicklung persönlicher Sozialkompetenzen und sozialer Schlüsselqualifikationen konzentrieren, was im Rahmen des Schulunterrichtes und der Arbeit in den Kitas so nicht zu leisten ist. Weiterhin profitieren auch die Eltern der Kinder von dem Leistungsangebot und können pädagogische Beratung vor Ort in Anspruch nehmen oder kostenfrei an Elterntrainings teilnehmen.
Das Gesamtkonzept des Kinderbildungshauses bringt es mit sich, dass die beteiligten Kinder jünger sind als in der regulären Schulsozialarbeit. Hier besteht der Vorteil, frühzeitig präventiv mit den Kindern arbeiten zu können und so das Sozialverhalten positiv zu beeinflussen. Bei Bedarf können auch die Eltern einbezogen werden, um sowohl die Situation in der Kita bzw. Schule und im familiären Umfeld im Blick zu haben. Im Ergebnis soll auch hier ein problemloser Übergang von der Kita in die Schule gewährleistet werden.
Im Vordergrund der Schulsozialarbeit steht dabei die Entwicklung eines sozialen Gruppenverhaltens der Kinder, das individuell und auf den Klassenverbund bezogen den Lernerfolg stützt. Soziale Schlüsselqualifikationen sind genauso wichtig wie gute Noten. Soziales Einfühlungsvermögen soll Mobbing und Gewalt verhindern. Was die Kinder hier lernen, kommt ihnen später im Beruf und Privatleben zugute. Soziales Verhalten setzt dabei auch Selbstbewusstsein und kritische Selbsteinschätzung voraus.
Die Schulsozialarbeiterin fungiert darüber hinaus auch als Ansprechpartnerin für das pädagogische Fachpersonal aus Kita und Schule und kann auf Wunsch beratend begleiten. Auf diesem Weg können einerseits frühzeitig die Schnittstelle zur allgemeinen Jugendhilfe gesichert sowie andererseits spezielle sozialpädagogische Ansatzmöglichkeiten aufgezeigt werden.
Die Umsetzung der beschriebenen sozialpädagogischen Ziele erfolgt überwiegend in Gruppenarbeit und Projekten, um das „Wir-Gefühl“ zu steigern. Im Rahmen von spielerischen Strukturen werden handlungsorientiertes und problemlösendes Lernen vermittelt. Die Angebote der Schulsozialarbeiterin bauen von der Kita in die Grundschule aufeinander auf und ergänzen sich, sind jedoch nicht in den Institutionen identisch.
Soziales Lernen
Aufbauend auf den Inhalten in den Kitas, wie z.B. auf dem Projekt „Rangeln, Regeln, Rücksicht nehmen“, werden im Rahmen des Sozialen Lernens Inhalte, Methodik und Ziele kleinschrittig erweitert und vertieft. Mit einer Wochenstunde wird im Klassenverbund, in Kleingruppen oder bei Bedarf auch in Einzelarbeit an folgenden Themen gearbeitet:
- Festlegen von Klassenregeln
- Handlungsorientiertes und problemlösendes Lernen
- Umgang mit Konflikten
- Förderung von Teamfähigkeit, Kontakt- und Kommunikationsfähigkeit sowie Empathiefähigkeit
Dazu werden unterschiedliche Methoden gewählt und auf die Kinder angepasst. Das Soziale Lernen kann u.a. in Rollenspielen, Körper- und Entspannungsübungen, Bewegungsspielen oder im Theater spielen durchgeführt werden. Dabei stehen in erster Linie die Förderung des Selbstbewusstseins und die Stärkung des Verantwortungsbewusstseins im Vordergrund. Das Erkennen von eigenen Schwächen und Stärken ist für viele Kinder eine neue Erfahrung, ebenso mit Gefühlen, Konflikten oder Stress umzugehen. Im Sozialen Lernen geht es auch um das Treffen von eigenen oder gemeinsamen Entscheidungen, um damit die Gruppenentwicklung innerhalb der Klasse zu fördern. Eine kritische Reflexion des Selbstbildes ist bei den Kindern noch keine bewusste Handlung, aber sie lernen frühzeitig, sich mit sich selbst und Anderen auseinanderzusetzen.
Das Soziale Lernen haben von Beginn an federführend die Schulsozialarbeiterin und die Lernbegleiter umgesetzt. Die Absicht war, dass sich zu Beginn die Kinder erst einmal untereinander kennenlernen. Es sollte bestimmte einheitliche Regeln für die Kommunikation untereinander geben, die sowohl in der Kita als auch in der Grundschule konsequent vermittelt werden, wie z.B.
- „Wir sitzen auf unserem Platz!“
- „Nur wer den Sprechstein hat redet!“
- „Wir melden uns mit Handzeichen!“
- „Wir schauen uns beim Zuhören an!“
Eine Einheit zum Sozialen Lernen hat neben den o.g. Zielen auch gleichzeitig zur Vorbereitung der anschließenden „Lernwerkstatt“ gedient und wird einmal im Vorfeld zu den drei Lernwerkstatt-Blöcken pro Kita- und Schuljahr angeboten.
Die Lernwerkstätten
Die „Lernwerkstätten“ im Kinderbildungshaus sind eigentlich das Herzstück in diesem Modellprojekt. Bis zur Durchführung der ersten Lernwerkstatt sind viele Absprachen notwendig gewesen, aber es hat sich gelohnt und die Kinder haben ein positives Feedback gegeben. Natürlich sind die Lernwerkstätten nicht statisch, sondern auch die Lernbegleiter haben jedes Mal ausgewertet, was positiv verlaufen ist und wo beim nächsten Mal Änderungen vorgenommen werden mussten. Es ist ein laufender Prozess im Austausch mit allen Beteiligten, insbesondere auch mit den Kindern.
Allen Beteiligten aus den beiden Kitas und der Schule war es wichtig, übereinstimmende Regeln und Strukturen für die Kinder im Übergang zu entwickeln. Daher war das „Soziale Lernen“ die Grundlage für die gemeinsam durchgeführten Schulstunden von zukünftigen Schulanfängern. Das Ziel sollte sein, die Gemeinschaft in den Lernwerkstätten spielerisch zu stärken und die sozialen Kompetenzen zu fördern.
Inhaltliche und organisatorische Veränderungen nehmen die Lernbegleiter nach jeder Lernwerkstatt vor, um die Qualität noch weiter auszubauen.