Älteste Urkunde im Stadt- und Kreisarchiv feiert 800. Geburtstag

Grund zur Freude im Paderborner Stadt- und Kreisarchiv

© Stadt- und Kreisarchiv PaderbornStadt- und Kreisarchivar Wilhelm Grabe und Praktikantin Jeanne Jovin Benali aus Le Mans haben allen Grund zum Feiern.

Montag, 15. Juli 2024 | Stadt Paderborn - Am 15. Juli 1224, also vor genau 800 Jahren, wurde in Würzburg eine Urkunde für die Bürger von Paderborn ausgestellt: In dieser wurde ihnen ausdrücklich gestattet, einen stellvertretenden Richter zu ernennen, wenn der eigentliche Stadtrichter aus welchen Gründen auch immer verhindert sei.
Aber was hat es mit dieser auf den ersten Blick unspektakulär wirkenden Verfügung auf sich?

Ausgestellt wurde das Schriftstück von König Heinrich (VII.), dem 1211 geborenen ältesten Sohn des Staufers Friedrichs II. Bereits als Neunjähriger wurde Heinrich 1220 in Frankfurt/M. zum König gewählt. Der Vater hatte dafür gesorgt, dass die eigentlichen Regierungsgeschäfte von Regenten versehen wurden, darunter der mächtige Erzbischof Engelbert von Köln. Auch wenn der jugendliche König darin nur als Statist wirkte, führte er bald auch eine kleine Kanzlei, also ein Schreibbüro, zur Ausfertigung seiner Urkunden. Ende 1228 übernahm Heinrich selbst die Regierung, geriet aber bald mit seinem Vater, Kaiser Friedrich II., aneinander. 1235 wurde er entthront und festgesetzt.
Die letzten Lebensjahre bis zum mutmaßlichen Selbstmord 1242 verbrachte er in verschiedenen Gefängnissen. Eine Exhumierung seines Leichnams im Dom von Cosenza ergab, dass er fortgeschritten an Lepra erkrankt gewesen war. Die römische Sieben in Klammern erklärt sich übrigens dadurch, dass er in der Zählung der Herrscher des Heiligen Römischen Reiches nur eingeschränkt mitgezählt wird, um Verwechslungen mit seinem Nachnachfolger Heinrich VII. (1278/79-1313) zu verhindern.
Der geringschätzig als „Klammerheinrich“ apostrophierte Herrscher hat erst in jüngster Zeit eine Aufwertung erfahren: Er habe die Ziele staufischer Politik konsequent verfolgt, wozu u.a. eine Stärkung der Städte gegenüber den Reichsfürsten gehörte.
Und damit kommen wir nach Paderborn, wo die Stadtwerdung zu Anfang des 11. Jahrhunderts – gefördert durch den Bischof als Stadt- und Landesherrn – einsetzte. Die Stadtmauer wurde um 1140 errichtet. Spätestens zu Beginn des 12. Jahrhunderts ist für die Paderstadt ein Stadtrichter nachweisbar, einem allein dem Bischof verpflichteten Amtsträger. Anfang des 13. Jahrhunderts begann sich die entstehende Stadtgemeinde vom bischöflichen Stadtherrn zu emanzipieren. 1222 kam es sogar zum Aufstand gegen Bischof Bernhard III. Die Paderborner Bürger mussten zwar klein beigeben, aber: Was auf den ersten Blick nach einer Niederlage aussah, war faktisch keine, da die Stadt ihre Forderungen praktisch ohne Abstriche durchsetzen konnte. Und wenig später gelang es den Paderbornern, ihre Interessen selbst beim König vorzubringen. Mit der am 15. Juli 1224 ausgefertigten Urkunde beschnitt Heinrich (VII.) die Rechte des Bischofs empfindlich. Hinter den Kulissen dürfte natürlich der Vormund Heinrichs, der Kölner Erzbischof Engelbert, der eigene Ziele im Hochstift Paderborn verfolgte, die Fäden gezogen haben.
Der Mittelalterhistoriker Matthias Becher sieht in der königlichen Verfügung aber vor allem einen Erfolg der Bürger Paderborns. Um der Urkunde gegenüber ihrem Stadt- und Landesherrn zusätzlichen Nachdruck zu verleihen, haben die Paderborner das echte Siegel Heinrichs mit einem unechten Bischof Bernhards III. ergänzt. Dieses Siegel fehlt heute.

Die Urkunde vom Juli 1224 ist zwar die älteste, keineswegs aber die einzige Urkunde, die im Stadt- und Kreisarchiv Paderborn aufbewahrt wird. Insgesamt werden etwa 600 mittelalterliche und frühneuzeitliche Urkunden im klimatisierten Magazin verwahrt. Und es ist nicht die älteste Archivalie des Archivs: Das Fragment einer Handschrift aus dem Kloster Corvey ist sogar noch deutlich älter: Es soll kurz vor 875 entstanden sein ...

Stadt Paderborn

Amt für Öffentlichkeitsarbeit und Stadtmarketing