Tatort Familie – Beziehungsstalking nach Trennung und häuslicher Gewalt
Fachtagung des Paderborner Kooperationsprojekts „Häusliche Gewalt“
Donnerstag, 22. November 2018 | Stadt Paderborn - „40 Prozent aller Frauen in Deutschland werden Opfer von Stalking.“ Mit diesen Worten eröffnete Moderatorin Julia Ures am Montag, 20. November, die Fachtagung des Paderborner Kooperationsprojekts „Häusliche Gewalt“ im großen Rathaussaal. „Diesen habe die Stadt sehr gerne für die Fachtagung zur Verfügung gestellt“, so der stellvertretende Bürgermeister Martin Pantke, da das Thema „Gewalt an Frauen“ der Stadt ausgesprochen wichtig sei. Die Stadtverwaltung habe sich 2017 in einer Grundsatzerklärung zur „Gewaltfreien Stadtverwaltung“ ernannt, in der keine Gewalt toleriert werde. Die Gleichstellungsstelle arbeite seit vielen Jahren in einem breiten Bündnis mit anderen Institutionen vor Ort zusammen, um über das Thema aufzuklären und dafür zu sensibilisieren. In dem von ihr moderierten Kooperationsprojekt „Häusliche Gewalt“ etwa, kooperierten seit 2003 alle Paderborner Frauenberatungsstellen, die Frauenhäuser, die Männerberatungen, die Polizei und viele weitere Institutionen.
In vielen Fällen häuslicher Gewalt spielt Stalking eine große Rolle. Gleichzeitig ist wenig fachgerechtes Wissen über die Thematik „Beziehungsstalking“ im Zusammenhang mit häuslicher Gewalt vorhanden. Daher haben sich die Organisierenden der Fachtagung „Tatort Familie – Beziehungsstalking nach Trennung und häuslicher Gewalt“ das Ziel gesetzt, dem mangelnden Wissen über diesen bislang vernachlässigten Aspekt der häuslichen Gewalt entgegenzutreten.
Rund 120 Personen verschiedener Berufsgruppen, die direkte oder indirekte Berührungspunkte mit dem Thema haben, waren ins Rathaus gekommen.
Die erste Referentin der interdisziplinären Fachtagung war die Diplom-Psychologin und klientenzentrierte Gesprächsführerin Dr. Heike-Küken-Beckmann. Sie gab einen theoretischen Einblick in das Thema und stellte verschiedene Verhaltenskategorien von Stalkern vor. „Von Ausspionieren über Bedrohen bis hin zu Gewalt – es gibt nichts, was es nicht gibt“, so die Familientherapeutin. Des Weiteren stellte sie den Teilnehmenden verschiedene Täter-Opfer-Konstellationen vor. 70 bis 80 Prozent der Betroffenen seien dabei immer noch weiblich. Meistens handle es sich um Ex-Partner, die zu Stalkern werden. Dabei haben Stalker oft keine psychischen Erkrankungen, gab die Diplompsychologin Einblicke in die Tätertypologie.
Die durchschnittliche Verfolgungsdauer liegt bei 28 Monaten, erzählt sie weiter. Dass 28 Monate in Angst zu leben nicht ohne Folge bleibe, sei daher nicht verwunderlich. Psychische und physische Schäden sind an der Tagesordnung. Diese Auswirkungen führen bei Betroffenen im Durchschnitt zu rund 61 Tagen Krankschreibung.
Am Nachmittag leitete dann Diplom-Sozialpädagogin Rebecca Bermel vom InterventionsZentrum gegen Häusliche Gewalt Südpfalz von der Theorie in die Praxis über und gab Einblicke in ihre Arbeit als Trainerin von Tätern häuslicher Gewalt. Sie stellte dem Publikum drei Fälle von Stalking und den individuellen Interventionsverlauf dar. In allen drei Fällen war eine vorherige Trennung Ausgangspunkt für das anschließende Stalking.
Ein großes Problem sei, dass die Täter die Gewohnheiten ihrer früheren Partnerinnen, ganz genau kennen. Dass die Opfer wüssten, wozu die Täter fähig seien, produziere einen hohen Grad an Angst bei den Betroffenen. Diese würden stark traumatisiert. Ihr Sicherheitsempfinden werde nachhaltig gestört, ihr Glaube an die eigene Stärke sowie das Vertrauen in eine berechenbare Welt erschüttert. In einem langen Prozess müssten Selbstbewusstsein und Selbstkontrolle wiederhergestellt werden.
Die Vorträge der beiden Expertinnen ergänzten und verdichteten sich zu einem umfassenden Überblick über das Thema „Beziehungsstalking“, sodass das Fachpublikum im Anschluss in eine lebhafte Diskussion einstieg.
Die Veranstaltung wurde vom Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen gefördert.
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